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Zurück zur ÜbersichtBei fehlerhafter chemischer Haarglättung beim Frisör kann Schmerzensgeldanspruch bestehen
Einer Kundin steht nach einer Schädigung ihrer Haare durch eine fehlerhafte chemische Haarglättung beim Frisör ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu, wenn das vom Frisör ausgewählte und verwendete Mittel für die Behandlung der Haare nachweislich ungeeignet und somit die vertraglich geschuldete Haarbehandlung mangelhaft gewesen ist. So entschied das Landgericht Koblenz (Az. 3 O 267/22).
Die Klägerin beauftragte die Betreiberin eines Friseursalons, eine chemische Haarglättung bei ihr durchzuführen. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt bis über das Schulterblatt langes Haar. Nach Durchführung der Haarglättung war das Haar der Klägerin in den Haarspitzen unkämmbar und verfilzt. Das Haar musste um mindestens 10 cm gekürzt werden. In der Folgezeit wurde ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt und ein Sachverständigengutachten eingeholt.
Die Klägerin behauptet u. a., es sei zu Strukturschäden an ihrem Haar gekommen, die darauf zurückzuführen seien, dass die Beklagte ein für ihr Haar ungeeignetes Produkt für die chemische Haarglättung verwendet habe. Infolge der eingetretenen Haarschäden habe sie sich massiv unwohl gefühlt. Sie habe ihre Sozialkontakte erheblich eingeschränkt und solche weitestgehend vermieden. Das Haarbild sei stark entstellend gewesen, ihr sei es nicht möglich gewesen, die Haare zu frisieren oder ordentlich zu kämmen, da die Haare weiter abgebrochen und ausgefallen seien. Sie habe für fast ein Jahr das Haus nur mit Mütze oder Kappe verlassen. Bis zum Erreichen ihrer ursprünglichen Haarlänge dauere es bis zu sechs Jahren. Das massiv beschädigte Haar benötige eine kostenträchtige Intensivpflege. Für den von ihr behaupteten Pflegeschaden (fiktive Kosten für die regelmäßige Intensivpflege der Haare nach der fehlerhaften Behandlung) macht sie einen Schadensersatz in Höhe von 4.955,85 Euro geltend. Hinsichtlich der vorgetragenen Einschränkungen durch die beschädigten Haare verlangt sie ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000 Euro. Zudem verlangt sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden anlässlich der mangelhaften Haarbehandlung zu ersetzen.
Die Beklagte behauptet hingegen u. a., der Zustand der Haare sei durch eine von der Klägerin selbst vorgenommene Behandlung mit unbekannten Mitteln zurückzuführen. Ebenso komme eine andere, natürliche Ursache in Betracht, etwa eine vorangegangene Schwangerschaft der Klägerin. Zudem habe sich die Klägerin eine Typveränderung gewünscht, das Abschneiden der Haare auf Schulterlänge sei Teil dieses Wunsches gewesen.
Das Gericht hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 Euro nebst Zinsen zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Nach der Vernehmung von Zeugen und aufgrund des Ergebnisses des eingeholten Sachverständigengutachtens hat das Gericht festgestellt, dass das von der Beklagten ausgewählte und verwendete Mittel für die Behandlung der Haare der Klägerin ungeeignet und somit die vertraglich geschuldete Haarbehandlung mangelhaft gewesen sei. Ausweislich des Sachverständigengutachtens könne der an den Haaren der Klägerin eingetretene Schaden auch nicht durch eine Schwangerschaft oder durch von der Klägerin verwendete Drogerieprodukte eingetreten sein. Da der Verlust und das Abschneiden von Haaren als Körperverletzung anerkannt sei, könne die Klägerin eine billige Entschädigung in Geld von der Beklagten verlangen. Der Anspruch solle den erlittenen immateriellen Schaden angemessen ausgleichen, dabei einerseits Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden gewähren sowie andererseits Genugtuung verschaffen für das, was durch den Schädiger angetan wurde. Bei der Festsetzung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Gericht berücksichtigt, dass die Klägerin angesichts des Verlaufs des selbstständigen Beweisverfahrens und um sich nicht dem Vorwurf einer Beweisvereitelung ausgesetzt zu sehen, über einen Zeitraum von jedenfalls eineinhalb Jahren mit dem Makel unnormal strohiger, quasi verunstalteter Haare, den sie auch schlecht habe verbergen können, habe leben müssen. Dies habe eine erhebliche seelische Beeinträchtigung dargestellt. Weiter schmerzensgelderhöhend sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich angesichts des Ausmaßes der Haarschäden zu einem Kurzhaarschnitt gezwungen gesehen habe, um die optischen Auswirkungen möglichst gering zu halten und dennoch weiterhin damit habe leben müssen, dass ihr die Haare bei kleinster physikalischer Beeinträchtigung abgebrochen seien. Hinzu komme, dass die Beklagte nicht nur zunächst die Zahlung komplett verweigert, sondern sowohl im Verlauf des selbstständigen Beweisverfahrens als auch im vorliegenden Verfahren der Klägerin unterstellt habe, die Schädigung der Haare letztlich selbst verantwortet zu haben. Dies sei als schmerzensgelderhöhende zusätzliche Kränkung der Klägerin zu berücksichtigen.
Soweit die Klägerin für den von ihr behaupteten Pflegeschaden einen Schadensersatz in Höhe von 4.955,85 Euro geltend gemacht hat, wurde die Klage abgewiesen. Dieser behauptete Schaden sei mit fiktiven Heilbehandlungskosten vergleichbar, die nach ständiger Rechtsprechung nicht erstattungsfähig seien. Da die Haare der Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auf Schulterlänge nachgewachsen waren und auch mit Folgeschäden nicht zu rechnen sei, wurde die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Feststellungsantrags abgewiesen.
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